Kleinstadtidyll mitten in Virginia
Auch wenn Charlottesville auf den ersten Blick recht unscheinbar erscheint, so hat die Stadt wirklich einiges zu bieten. Ich habe die Stadt eher zufällig im Rahmen eines Housesits erkundet, mich aber recht schnell in den Ort verliebt. So reich an Abwechslung, einer charmanten Innenstadt und viel grün Drumherum und eben all die Geschichte die hier noch gelebt wird, ist dieser Ort.
Die meisten kommen wohl nach Virginia weil sie den - vor allem für einen grandiosen Indian Summer - bekannten Blue Ridge Parkway entlang fahren oder den Shenandoah National Park erkunden wollen. Und Charlottesville liegt gerade einmal eine halbe Autostunde von diesen beiden Natur - Highlights entfernt. Wie bereits erwähnt ist Charlottesville vor allem eines: eine reiche Geschichte. Knapp hinter der Stadtgrenze von Charlottesville befindet sich die wohl eindrucksvollste Sehenswürdigkeit: Monticello - der Wohnort von Thomas Jefferson.
Thomas Jefferson - Verfasser der Unabhängigkeitserklärung:
Thomas Jefferson - um diesen Namen kommt man in Charlottesville nicht herum. Jefferson begegnet einem überall. Wie will man auch um solch einen wichtigen Mann der US-Geschichte, einen der Gründerväter Amerikas, herumkommen. Jefferson war unter George Washington Außenminister, dann der dritte Präsident der Vereinigten Staaten und Haupt-Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung (1776). Sein Einfluss ist in ganz Charlottesville und dem Albermare County zu sehen und zu spüren. Hier in Charlottesville, dem Erbe von Jefferson, findet man deshalb eine gute Möglichkeit, die ideologischen und historischen Werte des modernen Amerikas verstehen zu lernen.
Die Top 5 Highlights in und um Charlottesville
1. Das Historic Downtown und die Universität:
Charlottesville hat einen richtige verkehrsberuhigte Innenstadt: die Downtown Mall. Was für uns ja recht normal ist, ist in den USA aber eher selten zu finden ist. Doch hier in Charlottesville, im Historic District, gibt es eine der längsten Fußgängerzonen der Vereinigten Staaten. Sie erstreckt sich über eine Gesamtlänge von über acht Blocks und der Boden ist mit Ziegeln und Beton ausgelegt. Auch einige Nebenstraßen sind ebenfalls verkehrsberuhigt.
Charmante Boutiquen, Antiquitätengeschäfte, Kunstgalerien, gemütliche Bars, Cafés und Restaurant sind hier beheimatet. Hier lässt es sich gemütlich entlang schlendern, shoppen und in einen der kleinen netten Läden oder der süßen Cafés einkehren. Am Ende oder Anfang der Mall (wie man es eben sieht) befindet sich ein großer Open Air Pavilion. Ein Veranstaltungsort für Konzerte oder anderweitige Künstlerauftritte - vor allem in den Sommermonaten.
Die Universität von Virginia wurde 1819 von Thomas Jefferson gegründet. Sie ist eine öffentliche Forschungsuniversität. Das bekannteste Gebäude auf dem Campus ist "The Rotunda". Es ähnelt dem Pantheon in Rom, ist aber von Jefferson selbst entworfen wurden. Denn Thomas Jefferson liebte die Architektur und entwarf daher auch einige Bauwerke, wie eben "The Rotunda" und "Monticello". Allesamt gehören diese Gebäude und "The Lawn" sowie das Academical Villiage auf dem Gelände der Universität von Virginia zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Tipp: Nach einem ausgiebigen Besuch der Innenstadt mit dem kostenlosen Bus "Free Trolley" zur Universität fahren. Der Free Trolley fährt täglich und verbindet von Downtown vorbei am University of Virginia Hospital und der Universität selbst zahlreihe Stopps in der Innenstadt. Einen genauen Fahrplan gibt es beim Free Trolley Charlottesville. Schlendert dann über das Gelände der Universität, erkundet die Gebäude, The Lawn, saugt noch ein wenig das Studentenleben auf um dann wieder mit dem Bus zurück zu fahren.
2. UNESCO-Weltkulturerbe: Monticello
Das Haus gilt als einer der bedeutendsten Bauten aus der Gründerzeit der Vereinigten Staaten. Kein Wunder strahlt das Gebäude direkt etwas Magisches aus. Wer auf dem Rasen vor Monticello steht hat keinen Zweifel, dass jeden Moment Thomas Jefferson höchst persönlich um die Ecke geritten kommen könnte. Dieser Anblick ist übrigens auch als der "Nickel-View" bekannt. Der Nickel ist das 5-Cent Stück der USA. Denn Jefferson’s Monticello ziert diese 5-Cent Münze.
Das Herrenhaus wurde ab 1768 nach eigenen Entwürfen, inspiriert vom klassizistischen Stil von Andrea Palladio, errichtet. 1809 war der Großteil der Bauarbeiten abgeschlossen, aber Jefferson baute sein Landgut immer wieder um. Monticello gilt nicht umsonst als architektonisches Meisterwerk. Von der Einrichtung sind einige Dinge erhalten, wie seine Bibliothek und seine naturwissenschaftlichen Sammlungen. Auch sind noch originale Möbelstücke aus Jeffersons Lebzeiten vorhanden. Insgesamt umfasst Monticello rund 5000 Hektar.
Monticello ist das einzige Privathaus eines US-Präsidenten das auf der Liste des Weltkulturerbes steht. Das tolle daran: es kann wie die gesamte Farm besucht werden! Das Wohnhaus ist nur in einer geführten Tour zugänglich, die restlichen Häuser auf der Anlage können jedoch selbst erkundet werden. Denn außer dem Wohnhaus sind auch die Wirtschaftsgebäude erhalten oder rekonstruiert worden.
Im Wohnhaus wird man durch die verschiedenen Zimmer geleitet. Man erhält Einblicke in Arbeitszimmer, die Bibliothek und Wohnzimmer. Vieles macht den Eindruck, dass vor nicht allzu langer Zeit hier noch wer am Schreibtisch saß. Ebenfalls sehr interessant in die Küche. Eine alte Farmhaus-Küche, bei der am offenen Feuer gekocht wurde. Dabei noch zu bestaunen: die vielen antiken Küchenutensilien und Backformen. Natürlich durfte auch ein gut ausgestatteter Weinkeller nicht fehlen. Schnell wird klar: hier fehlte es an nichts.
Archäologische Untersuchungen des einstigen Plantagengeländes und der früheren Wohnstätten der Sklaven dauern an. Durch die Funde wurden zum Beispiel immer wieder Erkenntnisse über das Leben der Sklaven im 18. und 19. Jahrhundert möglich. Denn überliefert wurde aus dieser Zeit natürlich recht wenig von Jefferson selbst. So zeigen die Funde, dass die Sklaven zunächst in Gemeinschaftshäusern untergebracht waren, im 19. Jahrhundert jedoch in Familienunterkünften wohnten.
Monticello ist heute im Besitz der gemeinnützigen Thomas Jefferson Foundation und ein gut besuchte Erinnerungsstätte.
3. Virginia Discovery Museum
Das Virginia Discovery Museum ist ein riesen Lern-Spielplatz für Kinder bis etwa acht Jahren. Von außen erscheint das Gebäude recht klein und unscheinbar, doch dahinter, bzw. in den Mauern steckt wirklich jede Menge drin. Um es vorweg zu nehmen: wir waren total begeistert und hier kann man wirklich Stunden verbringen. Das Kindermuseum fördert die intellektuelle Neugier von Kindern spielerisch.
Ursprünglich war das Virginia Discovery Museum nur eine Art Wander-Ausstellung, aber mit sehr großem Erfolg. So beschloss man das Museum, welches kein Museum in diesem Sinne ist, sondern einem riesigen Spielplatz ähnelt, in Charlottesville zu stationieren.
Eine Vielzahl von Bildungsprogrammen und Sonderveranstaltungen wurden im Rahmen dessen erschaffen. Zudem wurde eine enge Beziehung zu Kindergärten, Schulen und Bildungseinrichtungen aufgebaut um die Kinder genau dort abzuholen wo die kindliche Neugier geweckt werden kann. Alle Exponate, Spielmodelle und Einrichtungsgegenstände sind so in Einklang mit dem aktuellen Lehr- und Wissenstands der Kinder gebracht. Ein Bildungs-beratungsausschuss, bestehend aus Mitarbeitern und lokalen Pädagogen, kümmert sich stets um die aktuelle Inhaltserstellung von der Ausstellung und den Programmen.
Das Virginia Discovery Museum ist eindeutig eine Schnittstelle von Lernen und Spielen. Hier sammeln die Kleinen durch praktische Erfahrungen und fantasievolle Erlebnisse Wissen und erweitern dieses stetig. Alles kann hier eben selbst erlebt und wortwörtlich in die Hand genommen werden. In der Theorie langweilige Sachen werden lebendig gemacht und lassen Kinderaugen strahlen.
Wir haben das Museum als einen sehr kreativen Ort für Kinder mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen und Fähigkeiten kennen gelernt. Wirklich jeder kann sich hier ausleben und die Dinge ganz individuell erkunden.
4. Gearharts Fine Chocolate Factory:
Schokolade und die USA - das passt meist nicht so gut. Auch wenn man viele süße Leckereien in den Supermarkt-Regalen findet, richtig leckere Schokolade gibt es ganz selten. Doch in Charlottesville wird man fündig, denn hier befindet sich Gearharts Fine Chocolates.
Tim Gearhart gründete im Jahr 2001 das kleine Unternehmen in Charlottesville. Damals wie heute sind handgefertigte Schokoladen, besonders Pralinen, eine Rarität in den USA. Doch Gearhart hatte die Vision feine Schokolade nach Charlottesville zu bringen. Gearhart selbst hatte zuvor als Koch bei der Marine gearbeitet und eine Ausbildung in der Patisserie gemacht. Er erweiterte sein Wissen und arbeitete schließlich als Chef-Konditor. Seine kulinarische Karriere führte ihn aber auch an entlegene Orte in Wyoming oder Südenglang, immer wieder unterbrochen mit Zwischenstopps in gehobenen Restaurants. Letztendlich kehrte er, mit viel Erfahrung und neuem Wissen im Gepäck, nach Charlottesville zurück um Gearharts Fine Chocolates zu gründen. Seitdem kreiert er mit seinem Team unverwechselbare Pralinen.
Wir hatten das Glück und durften die Schokoladen-Produktion live bestaunen. Schritt für Schritt wurde uns jeder Weg und jeder Herstellungsschritt einer Praline gezeigt. Während vorne die Kunden im Café genießen, wird in den Hallen dahinter die großartige Arbeit geleistet. Kaum vorstellbar, dass hier in Charlottesville wirklich jede einzelne Praline hergestellt und gefertigt wird, denn mittlerweile schätzen die Kunden von Nah und Fern diese Pralinen. Tatsächlich werden hin und wieder sogar Pakete nach Europa versandt - übrigens auch direkt aus den heiligen Hallen in Charlottesville.
Tipp: Wer in Charlottesville der sollte hier definitiv vorbeischauen, wenn auch nur für einen Kaffee und eine kleine Süßigkeit.
5. Der Shenandoah Nationalpark & der Blueridge Parkway
Wer als US-Nationalpark-Fan die Namen Blue Ridge Parkway und Shenandoah NP hört, der versinkt gedanklich sofort in waldige Straßen in den schönsten und leuchtendsten Farben. Für mich war deshalb klar, auch wenn die Zeit kurz ist, einen Abstecher auf diese Straßen muss ich unbedingt machen. Das coole ist nämlich, wenn man von Charlottesville anreist: fährt man von der Interstate nach Norden, dann gelangt man in den Shenandoah, zweigt man nach Süden ab, dann gelangt man auf den Blue Ridge Parkway. Denn die Blue Ridge Mountains liegen im Süden und der Nationalpark eben im Norden.
Beide Panoramastraßen bieten zahlreiche Aussichtspunkte an bei denen man anhalten und seinen Blick in die Ferne schweifen lassen kann. Und das sollte man definitiv auch wahrnehmen und genießen. Die Aussichten über die Wälder und Täler sind immer wieder gigantisch. Egal ob das Shenandoah Valley oder das Piedmont, solche Ausblicke gibt es bei uns nicht.
Der Skyline Drive durch den Shenandoah Nationalpark ist mit 170 Kilometern der kürzere Abschnitt der beiden Strecken. Wie der Name vermuten lässt, führt die Straße über die höchsten Punkte der Berge und bietet somit traumhafte Aussichten. Der Drive beginnt im Norden beim Örtchen Front Royal und endet im Süden am Rockfish Gap, der Interstate 64. Ab hier führt einen der Blue Ridge Parkway weiter nach Süden. Oder anders herum gesehen: der Blue Ridge Parkway startet in North Carolina und windet sich über 700 Kilometer hinauf durch die bewaldeten Berge, die Appalachen, bis zur besagten Interstate 64 in Virginia.
Tipp: Wer nur wenig Zeit hat und nicht wegen der unglaublich schönen Panoramastraßen nach Virginia gekommen ist: fahrt beide Strecken ein Stück hinein. Der Blue Ridge Parkway ist kostenlos. Hier gibt es auch immer wieder nette Möglichkeiten sich kurz die Füße zu vertreten und etwas zu laufen/wandern. Wer den Shenandoah erkunden will muss National Park Eintritt zahlen. Es lohnt sich, aber nur, wenn auch einige Kilometer zurückgelegt werden.
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