Schreikrampf im Nirgendwo
Am Morgen haben wir uns direkt nach dem Frühstück auf die Weiterfahrt gemacht. Nicht, weil der KOA Bur Nunn kein Highlight (aber vollkommen in Ordnung!) war, sondern, weil wir wieder einmal 5 Stunden Fahrt (knapp 300 Meilen/470 Kilometer) bis zu unserem nächsten Campingplatz im Yellowstone Nationalpark auf dem Plan hatten.
Und anfangs lief es wunderbar. Ja, hervorragend. Der Kleine schlief während sich uns die unendlichen Weiten Wyomings eröffneten. Wir fuhren und fuhren und fuhren. Mal mein Mann, mal ich - immer abwechselnd, bis wir am frühen Nachmittag Cody erreichten. Dort nutzen wir die zeitige Ankunft um uns die Füße zu vertreten und die letzten Utensilien für die Tage im Park zu kaufen.
Von Cody zum Campingplatz sind es etwas mehr als 75 Meilen (125 Kilometer) oder auch knapp zwei Stunden Fahrt. Ein Klacks im Gegensatz zu dem was wir bereits hinter uns hatten. Und so machten wir uns gut gelaunt und entspannt gegen 16:30 Uhr auf den Weg.
Nach nicht einmal einer Stunde ist es urplötzlich aus mit der Gemütlichkeit. Und mit der Ruhe. "Wuuuaaaah!", brüllt es voll Inbrunst von hinten. Ich versuche ihn zu beruhigen. Vergebens. Papa hält an.
Da stehen wir. Irgendwo zwischen Cody und dem Yellowstone. Der Kleine schreit, wie wir ihn noch nie haben brüllen hören. Warum können wir nicht herausfinden. Wir laufen im Wohnmobil auf und ab. Wir laufen draußen hin und her. Wir machen den Flieger, wir knuddeln, wir schunkeln. Keine Ruhe. Ich stoße an meine Grenzen. Ich mag nicht mehr. Ich schlage die Hände über dem Kopf zusammen. Ich frage mich ob wir nicht umdrehen sollen. Vielleicht fehlt dem Baby ja was? So lang hat er noch nie gebrüllt.
Wir sind etwas verzweifelt - nein, wir sind mehr als nur "etwas verzweifelt". Ich bin soweit und möchte umdrehen. Mein Mann nicht. Es wird langsam dunkel. Wir müssen uns entscheiden. Eine halbe Stunde haben wir jetzt schon an Zeit verloren.
Wir fahren schließlich weiter. Ich auf dem Rücksitz. Mit Baby in den Armen. Ablegen geht nicht ohne Geschrei. Ich nehme den Zwerg also auf meine Brust und genau so plötzlich wie er angefangen hat hört er auf. Innerhalb von Sekunden schläft er friedlich ein. Wir sind wirklich erleichtert und atmen tief durch.
Nach einiger Zeit versuche ich ihn wieder in seinen Sitz zu tun. "Wuuuaaaaahhhhh!", ertönt es. Zurück auf der Brust ist Ruhe. Sitz: "Wuuuaaaahhhh!" Brust: Ruhe. So geht es eben mit ihm auf der Brust weiter bis wir endlich voll - kurzer - Freude den Park erreichen.
Im Park versuche ich, da mir alles schmerzt und ich kaum aus dem Fenster schauen kann, erneut mein Glück den Kleinen abzulegen. Doch sobald ich mich nur bewege schreit das Baby wieder los. Bald bin ich genervt. Wir sind im Yellowstone und ich sehe nichts. Alles schmerzt und ich habe ein schreiendes Kind auf der Brust. Ok, ein schlafendes Kind, welches schreit sobald ich es ablegen möchte. Wenige Kilometer vor dem Campingplatz, platzt mir der Kragen. "Ich fliege doch nicht so weit hier her und sehe am Ende NICHTS", meckere ich lauthals auf der Rückbank.
Mein Mann fühlt sich angegriffen und ist genervt. Er hält an und steigt aus. Das Baby schreit. Ich bin kurz vor einem Heulkrampf. Letztendlich sind wir nun alle mit den Nerven am Ende.
Aber die Pause hilft uns, uns zu sortieren. Wir atmen tief durch, beruhigen uns und haben plötzlich einen Plan. Baby Samu kommt einfach in seine Lieblings-Wippe. Und tatsächlich: der Plan funktioniert. Kaum in der Wippe strahlt der Zwerg über das ganze Gesicht. Er lacht als wäre nichts gewesen. Wir können auch wieder lachen und die letzten Kilometer fliegen nur so dahin.
Und dann sind wir auch schon da: der Fishing Bridge RV Park hat uns endlich. Zwar ist es mittlerweile stockdunkel und schon 21 Uhr, aber wir sind überglücklich diesen Tag nun doch noch gemeistert zu haben. Am Ende sogar alle mit einem Lächeln im Gesicht.
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Andreas (Freitag, 09 Februar 2018 21:07)
Uff, SO einen Tag haben wir damals in New Mexico gehabt, auf den Weg runter nach White Sand. Eine viel zu lange Fahretappe, eh schon gereizte Stimmung und Sohnemann (er war damals 1.5 J jung) hat geschrien als wenn jmd ein Messer in seinem Herz rumdreht. Bei Bosque des Apache sind wir raus gefahren und ich bin erstmal vom Auto weg gelaufen und hab laut geschrien *g* Ich konnte das alles nicht glauben und wäre am liebsten nach Hause geflogen. Das war mein vierzehntes Mal USA, der kleine war vorher auch schon 2x mit drüben und ist auch in Europa problemlos mitgeflogen etc. Es ist immer alles gut verlaufen, aber an diesem Tag wusste keiner von u d einen Rat :-( Solche Momente gibt es einfach, ich kann das sehr gut nachvollziehen. Das es natürlich in solch einer traumhaft schönen Gegend wie bei Euch passiert ist zwar schade, aber so etwas ist ja keine Absicht. Man lernt ja auch ein Stück weiter wieder draus ... zB das man nicht immer alles mal eben so gehandelt bekommt. Ich hoffe ihr konntet den Park dennoch genießen. Nachdem unserer sich damals wieder beruhigt hatte haben wir überigens noch einen tollen restlichen Tag in White Sands verbracht. Der größte Sandkasten der Welt, da war dann alles wieder in Butter *lach* :-)
Lieben Gruß,
Andreas (reisewut.com)
Kind im Gepäck (Sonntag, 11 Februar 2018 11:38)
Hallo Andreas,
vielen Dank für deinen Bericht. Ja, so kann es mit den Kleinen eben laufen. Die Strecken sind für uns Erwachsene ja schon manchmal echt heftig. Eigentlich kein wunder, dass den Kleinen da langweilig wird. Sowas kann halt vorkommen, wie du selbst sagst.
Klar haben wir den Park genossen! Meist kann man ja schon kurz darauf wieder lachen.
Schöne Grüße,
Mel, Samu & Rolf