Die Einwanderer-Familie aus Schottland
Zur Person:
Graham ist 38 Jahre und besitzt eine große Farm in der Provinz Free-State nahe der Stadt Harrismith. Das liegt etwas mehr als zwei Stunden südöstlich von Johannesburg und rund eine Autostunde von den nördlichen Drakensbergen und damit von dem weltberühmten Amphitheater im Royal Natal Nationalpark entfernt.
Graham hat insgesamt neun "Roan" Antilopen (Pferdeantilopen), 47 Büffel und seit Jahresbeginn auch 15 "Sable" Antilopen (Rappenantilopen). Des Weiteren hat er 1400 Rinder und rund 900 Schafe auf seiner Farm.
Ein Haus auf seiner Farm vermietet er seit 2017 über AirBnB und heißt dort seitdem Leute aus aller Welt willkommen.
Seine Geschichte beginnt...
Wie vereinbart steht Graham um halb elf vor unserer Türe. Wir sind ein wenig aufgeregt: gleich geht es Büffel schauen. Nicht, dass wir nie Büffel in Südafrika gesehen hätten, aber Graham hat uns am Abend zuvor versprochen, dass es ein tolles und interessantes Erlebnis wird.
Wir steigen in seinen Wagen - gleiches Model wie unser Mietwagen: Samu und Rolf hinten, ich auf dem Vordersitz. Sein noch recht neuer Wagen hatte vor kurzem erst einen kleinen "Zusammenstoß" mit einem Büffel, erzählt Graham sogleich. Einer der männlichen Tiere war unzufrieden. "I lost the side mirror", sagt Graham mit den Schultern zuckend und deutet auf den rechten Außenspiegel. Das könne bei den Tieren schnell vorkommen. Immerhin seien Büffel weitaus gefährlicher als Löwen, informiert er weiter und weiß: "That's what most people don't know." ("Das wissen die meisten Leute nicht.")
Mittlerweile sind wir am Gatter angekommen. Graham steigt aus. Wollen wir wirklich mit dem Auto zu seiner Büffelherde? Klaro!
Die Familien-Historie:
Wir fahren über die Farm und Graham beginnt zu erzählen, dass seine Vorfahren aus Schottland kommen. Bereits 1849 waren sie nach Südafrika ausgewandert und hatten Land in der Gegend um Richmond erhalten. "But this was too small to farm", berichtet er. So haben sie Kohle und Diamanten-Transporte angeboten. Mit dem Verdienst hat sich die Familie Land in Estcourt gekauft. Wir lauschen gebannt. Graham schaut uns fragend an. Er zweifelt ob wir das hören wollen. "That's really interesting! Please go on", ermuntere ich ihn zum Weitererzählen.
Er berichtet weiter: Als der zweite Burenkrieg (1899) ausbrach entschied sich die Familie, um nicht zwischen die Fronten zu geraten, ins Zululand zu ziehen und dort eine Farm zu betreiben. Eine Menge Rinder starben aufgrund von "tick borne diseases" (durch Zecken übertragene Krankheiten). Die Farm leidet darunter und die Ahnen verschlägt es abermals in ein ganz anderes Geschäft: Gefangenen-Transporte. Sie holten Gefangene, welche in der Provinz Free State von den Briten gefangen genommen wurden, und transportierten diese von dort an die Ostküste von wo diese nach Indien oder Ceylon - dem heutigen Sri Lanka - verschifft wurden. Dabei stellten die Vorfahren fest, dass es in der Provinz Free State keine Zecken gab und die Familie entschied 1906 dorthin zu ziehen.
Wir lassen den Blick über die Länderei schweifen. "And since when is this all yours?", hake ich nach. "I have been on the farm since 2007", erklärt Graham und deutet an weiter ausholen zu müssen. 1986 hatte die Farm, damals mit dem Namen "Sarclet", Freunden der Familie gehört. Diese gingen Bankrott und sein Vater entschied sich die Farm zu kaufen. Es wurde die zweite Farm von "Clan Leslie Estates".
Graham berichtet: 1906 hatten seine Großeltern bereits eine Farm namens "Sylvan" in Harrismith gekauft. Sie haben Kartoffeln angebaut und damit eine Menge Geld gemacht. "This put us on our feet and we made a lot of money", gesteht der 38-Jährige und weiß: In Harrismith gab es eine Militärgarnison und diese schickte seinen Eltern Arbeiter auf die Farm um Kartoffeln zu ernten. Die Arbeiter arbeiteten praktisch umsonst auf der Farm, was seinen Eltern natürlich jede Menge einsparte und somit gutes Geld brachte. Seine Eltern leben noch heute auf der von den Großeltern geerbten Farm einige Kilometer entfernt von Graham.
Das Geschäft mit den Büffeln:
Wir sind völlig fasziniert von Grahams Geschichte und haben fast keine Augen mehr für die Büffel die mittlerweile nur wenige Meter von uns entfernt neben dem Auto stehen. "This guy was it", sagt Graham und zeigt auf den mächtigsten Büffel. Der war also für den abgetrennten Seitenspiegel verantwortlich.
Wir bestaunen die Tiere. Eigentlich wirken sie ganz friedlich und dann fragen wir uns: "Was macht man eigentlich mit Büffel? Werden diese an Schlachter verkauft?", frage ich Graham. Er verneint und erklärt, dass Büffel meist an "Game Parks" oder andere Farmen zur Zucht verkauft werden. Selten für die Jagd. Ich muss schlucken. Graham berichtet weiter: "Female buffalo are usually sold to other game farms/breeders to breed with and the bigger males are too." Ok, die Büffel werden meist zur Zucht verkauft und die großen, starken Männer auch... aber was mir keine Ruhe lässt ist die Jagd.
"Towards the end of their lives the big males can end up being hunted when they can no longer breed. Younger males can also end up getting hunted because to breed you only need one male to lots of females", informiert er uns. Über das Jagen wird bei uns immer heiß diskutiert erzähle ich Graham. Er nickt und erzählt weiter, dass es hier nicht so tragisch gesehen wird. Er selbst verkaufe zwar ungern und selten Tiere für die Jagd, aber dass sei nun einmal so, zumal das Geld welches die Jäger für die Tiere letzten Endes zahlen, wiederum für die Forschung und der Aufzucht der Tiere genutzt werde. Ganz so schlecht sei es also gar nicht beruhigt er uns.
Weiter klärt uns Graham über die Besonderheit seiner Büffel auf; es sind so genannte "disease free"-Büffel. Büffel die immun gegen die typischen Krankheiten sind. Und genau diese Büffel-Art ist sehr wertvoll und kann einem Farmer Millionen einbringen. Richtig gelesen! Mehrere hundert Millionen Rand. Graham erzählt uns dass, vor nicht allzu langer Zeit für solch ein Büffel 168 Millionen Rand gezahlt wurden. Das sind laut aktuellem (01/2018) Umrechnungskurs über 12,5 Millionen Euro! "Unfortunately it wasn't mine", lacht der Farmer und erzählt uns was an dem Büffel so wertvoll war: "The particular one had very big horns and so people were prepared to pay a very big price for its good genetics in the hope that it would breed more big horned calves."
Die ganz besonderen Antilopen:
Graham fährt uns noch zu den Antilopen. Im allerersten Moment eben Antilopen. Doch Graham zeigt sich stolz und erzählt uns, dass diese Antilopen die zweitgrößte Antilopen-Art ist. Bis zu 270 Kilogramm schwer und 1,40 Metern Schulterhöhe kann solch ein Tier erreichen. Größer ist lediglich die Elenantilope.
Was ihn aber so stolz macht: Graham besitzt auf seinem Grundstück neun dieser Tiere, der Krüger Nationalpark gerade einmal 90 Exemplare, erzählt er uns. Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre waren viele Tiere im Krüger verstorben. Warum ist nicht wirklich eindeutig geklärt. Seitdem hat sich der Bestand jedenfalls nicht wieder erholt. Die Tiere sind im Nationalpark immer noch sehr selten. Eine neunköpfige Herde in Privatbesitz ist also bei weitem nicht selbstverständlich und im Verhältnis zum Krüger Park besitzt Graham somit sehr viele Tiere.
Der einsame Farmer?
Was wir uns dann natürlich auch noch gefragt haben: wie ist das Leben da draußen alleine auf der Farm? "I am quite used to life being remote", lacht der 38-Jährige. Er sei es schon immer gewohnt gewesen einige Minuten bis zur nächsten Stadt fahren zu müssen. Auf der Farm wo er mit seinen Eltern aufgewachsen war, hatte er immer 40 Minuten bis in die Stadt gebraucht, die gut zehn Minuten jetzt seien kein Problem. Aber er gesteht, dass er manchmal die Stadt und Freunde vermisst, doch diese versucht er so oft wie möglich am Wochenende zu besuchen. Und noch etwas würde er gerne besuchen: Schottland - um zu sehen wo seine Vorfahren herkommen.
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