Mit Kindern ein Kloster besuchen
Ruhe, Besinnung, Abstand vom Alltag - Wörter, die man mit einem Kloster in Verbindung bringt (mal abgesehen von der Corona-Pandemie). Definitiv jedoch keine Begriffe, welche auf (Klein-)Kinder zutreffen.
Mit Kindern also einen Tag im Kloster verbringen hört sich im ersten Moment ziemlich absurd an. Selbst wenn es sich „nur“ um eine ehemalige Klosteranlage - wie der Kartause Ittingen am Bodensee - handelt. Denn die Frage ist doch: macht ein Besuch mit kleinen Kinder überhaupt Sinn? In der Kartause Ittingen im schweizerischen Thurgau definitiv! Warum das so ist und wie Ihr Euren Tag dort verbringen könnt - wir haben uns mal umgesehen.
Anschrift: Kartause Ittingen, CH 8532 Warth-Weiningen.
Die Geschichte der Kartause:
Die Kartause Ittingen, in ihrer heutigen Form, ist im Gegensatz zu anderen Klosteranlagen kein Gesamtbauwerk, sondern ein Resultat von ständigen baulichen Veränderungen. Im Verlauf von mehr als 900 Jahren wurde die Kartause nämlich immer wieder den jeweiligen Bedürfnissen angepasst.
Trotzdem ist das Kloster authentisch erhalten aber eben in den vergangenen Jahren mehrmalig restauriert worden. So befinden sich in den alten neuen Klostermauern das Ittinger Museum (hier geht es um die Geschichte über das Kloster), ein Kunstmuseum und ein Gutsbetrieb mit Metzgerei, Holzofenbäckerei, Weinbau und Gärtnerei. Des Weiteren laden das Restaurant Mühle und seine Gartenwirtschaft Tagesbesucher zum Genießen und Verweilen ein.
Tipp: im Restaurant Mühle könnt ihr 0-Kilometer-Gerichte verspeisen, da vereint das Küchenteam die besten Zutaten, welche allesamt aus den hauseigenen Erwirtschaftungen kommen.
Die Erneuerungen und Umbauarbeiten haben nichts daran geändert, dass die klösterlichen Werte wie Spiritualität, Bildung, Kultur, Gastfreundschaft und Selbstversorgung erhalten und mit der Kartause verbunden bleiben. Die Stiftung Kartause bietet etwa 60 Personen, eine Vielzahl davon mit psychischen oder kognitiven Beeinträchtigungen, einen Arbeitsplatz und attraktive Wohnmöglichkeiten. 20 Lernende werden in acht Berufsfeldern ausgebildet.
Damit unterscheidet sich die Kartause von vielen anderen sozialen Institutionen. Denn die täglichen Begegnungen mit Gästen und anderen Mitarbeitern aller Betriebe bieten unkomplizierte Kontaktmöglichkeiten. Hier ist einfach ein außergewöhnlicher, spezieller Ort entstanden.
Schaut selbst!
Ein Rundgang über die Klosteranlage:
Zu allererst können wir einen ganz gemütlichen Rundgang über die tolle Anlage der Kartause vorschlagen. Egal zu welcher Zeit kann man wunderbar durch die großzügige Gartenanlagen der Kartause schlendern und die verschiedensten Blumen und zahlreichen Pflanzenarten bestaunen. Ein besonderes Highlight sind die Rosen, denn vom Frühsommer bis in den Herbst hinein blühen hier über tausend Rosenstöcke mit mehr als 250 Rosensorten. Zudem beherbergt die Kartause auch die größte Vielfalt an historischen Rosensorten.
Neben den Rosen locken aber auch der Barock- und Kreuzgarten, die Blumenwiesen, der Hopfengarten, der Heilkräuter- und Küchengarten, sowie die Rebberge und das Waldreservat. Und damit sind noch nicht einmal alle Gärten und Beete aufgezählt. Überall blüht und duftet es. Verschiedene Routen und Wege führen durch diese Naturhighlights.
Die Themenwege, Routen und Pfade, welche auch durch den Ittinger Wald, zur Thur und bis zum benachbarten Nussbaumersee führen, lassen sich individuell oder bspw. auch für Gruppen in Begleitung erkunden. Auch Führungen mit verschiedenen Schwerpunkten können gebucht werden.
Mit etwas größeren Kindern ist sicherlich der Grüne Pfad eine Empfehlung. Das ist ein Rundgang über die Klosteranlage gespickt mit 15 Informationstafeln. Es geht bei diesem Rundgang um Nachhaltigkeit, die Förderung der Biodiversität und auch die gesellschaftlich-soziale Aspekte der Kartause. All das wird spielerisch erklärt und angesprochen. Ein Erlebnis das etwas 60 Minuten dauert. Am Ende gibt es eine kleine Überraschung für die Teilnehmenden.
Die beiden Museen:
Wer hier herkommt, der sollte natürlich auch den kleinen Schritt in die Museen wagen. Auch mit Kindern ist das eine hervorragende Idee, denn das einstige Leben der Mönche ist im Ittinger Museum hautnah zu bestaunen und zu erleben. Für Kindern eine recht faszinierende Welt, in welche man schließlich nur selten einen Einblick erhält.
Das Ittinger Museum wurde im Jahr 1983 in der Kartause Ittingen eingerichtet, um die fast vollständig erhaltene Klosteranlage der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Raum für Raum kann man nun in den ursprünglichen Gemäuern erkunden, wie die Mönche gelebt haben. Die unterschiedlichen Zimmer bieten einen lebendigen Einblick in die Geschichte des Gebäudes und deren Bewohner.
In den kargen Wohnzellen lässt sich schnell nachempfinden, wie die Mönche in Stille und Einsamkeit hier die Nähe Gottes suchten - und vor allem wie trist das Leben wohl war. Wie es sein muss mit Entbehrung und Verzicht zu leben, wird hier vor allem den Kindern bewusst. Denn die Kartäuser verließen diese kleinen Zellen an Wochentagen lediglich drei Mal zum Gebet.
Der reich ausgestattete Essensraum hingegen wirkt lebendig, als würden die Kartäuser noch heute hier ein ausgiebiges Mal verspeisen und lange vespern.
Den Geschichten und Themen rund um das Kloster und den Kartäuserorden kann auch mittels Audioguide oder Hörspiele für Kinder gelauscht werden.
Aber auch das Kunstmuseum Thurgau, eines von sechs kantonalen Museen, ist nicht zu unterschätzen. In einem Rundgang kann es direkt im Anschluss an das Ittinger Museum besucht werden.
Das Kunstmuseum fand ebenfalls 1983 in der historischen Anlage seine Heimat. Ein einzigartiger Ort, auch für nicht Kunst-Fans, um Kunst zu einem besonderen Erlebnis zu machen. Im Mittelpunkt der Sammlung stehen die Werke von Adolf Dietrich (1877-1975), einem der bedeutendsten Schweizer Maler des 20. Jahrhunderts, genauer gesagt Bilder eines renommierten Thurgauer Malers. Sie sind heute weit über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannt.
Drumherum entstand in den vergangenen Jahren eine eindrucksvolle Sammlung Naiver und Art Brut-Kunst. Für Kunst-Fans seien ein paar Namen genannt: Camille Bomboi, André Bauchant, Louis Vivin und Erich Boedecker. Daneben noch Werkgruppen von Helen Dahm, Hans Bühlmann und Ernst Kreidolf die Einblick in das regionale Kunstschaffen der letzten 100 Jahre geben.
Übrigens: auf dem gesamten Gelände der Kartause Ittingen sind Kunstwerke anzutreffen. Unmittelbar vor dem Zugang zum Areal des ehemaligen Klosters trifft man auf den spektakulären LOOP des Künstlerduos Bildstein / Glatz, einen knapp 15 Meter hohen Doppellooping. Und direkt vor den Museen werden die Besucher von metallisch schimmernden Tierskulpturen begrüßt, ein transparentes Haus lädt zur Kontemplation ein und Jenny Holzers Steinbänke brechen die Idylle der Mönchsgärten auf.
Der Gutsbetrieb:
Selbstversorgung ist die Devise. Und diese wird so gut es geht eben auch noch in der Kartause gelebt. auf rund 66 Hektar Kulturland und 32 Hektar Wald sind die besten Voraussetzungen geschaffen um einen wesentlichen Teil für die klösterliche Selbstversorgung zu garantieren. Eine Alp im Toggenburg - der Sommersitz der klösterlichen Rinder - gehört ebenso zum Gutsbetrieb. Damit zählt der Betrieb übrigens auch zu den größten Betrieben überhaupt im Kanton.
Was wird denn hier also genau angebaut. Der vielfältige Kulturenplan zeigt 25 Hektar offenes Ackerland, 29 Hektar Wiesen und Weiden, 10 Hektar Weinreben, 2 Hektar Obst und 2 weitere Hektar Hopfen. Alles wird streng nachhaltig und umweltschonend bewirtschaftet. Die Tierhaltung ist nach eigenen Angaben besonders tierfreundlich. Wir können nach unserem damaligen Besuch nichts gegenteiliges erwähnen. Es sah wirklich sehr großzügig und gut in den Ställen aus.
Der Freilaufstall für die Milchkühe bietet Platz für 50 Kühe und 40 Jungtiere und wurde erst vor wenigen Jahren erneuert. Die gewonnene Milch wird natürlich in der eigenen Käserei verarbeitet. Das Raufutter stammt ebenfalls ausschließlich aus dem eigenen Betrieb. Die Jungtiere verbringen den Sommer über auf der eingangs erwähnten eigenen Alp im Toggenburg.
Neben Wiesen und Weiden gibt es auch noch die 10 Hektar Rebberge. Die Trauben werden natürlich in der eigenen Weinkellerei zu Weinen gekeltert. Es werden acht verschiedene Traubensorten in der Kartause Ittingen angebaut und verkauft.
Fazit zum Besuch der Kartause Ittingen.
Die Kartause Ittingen ist weitaus mehr als ein Kloster. Hier kann man Klostergeschichte nicht nur sehen, sondern hautnah erleben. Für einen bloßen Tagesausflug ist es fast schon zu schade. Der Klostergarten, die beiden Museen, das Restaurant, ja die gesamte Anlage sollte bestenfalls in klösterlicher Gelassenheit und Ruhe (damit ist nicht Stille gemeint :-) ) besucht werden. Sich Zeit nehmen, nicht mit Hast durch die Gärten rennen, die Kleinigkeiten entdecken, das macht die Kartause Ittingen aus.
Mit Kindern ist das Kloster definitiv ein Erlebnis und macht ihnen die Welt der Mönche verständlicher.
Wir können einen Besuch mit Übernachtung empfehlen um auch etwas "hinter die Kulissen" blicken zu können.
Zusatztipp: Übernachtung in der Kartause Ittingen.
Das Hotel Kartause Ittingen bietet 68 Zimmer in zwei Gebäuden zum Übernachten auf der ehemaligen Klosteranlage. Damit kann man die Kartause in vollen Zügen genießen und spätestens beim Frühstück landen dann ganz viele Köstlichkeiten aus dem Garten (oder Stall) auf dem Teller.
Wir haben die Kartause getestet und diesen ausführlichen Bericht zur Übernachtung im ehemaligen Kloster Kartause Ittingen verfasst.
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